Kennst du das? Du bist im Stress, wieder einmal liegen zwei Termine viel zu dicht beieinander. Und gegessen hast du auch noch nichts. Also, schnell beim Bäcker vorbei, kurz etwas auf die Hand. Währenddessen bereitest du den nächsten Termin vor, schreibst deiner Freundin bei Whatsapp zurück und beantwortest noch zwei E-Mails…
Wie hat dir dieses Mittagessen geschmeckt? War es zu viel oder zu wenig oder genau richtig? Musstest du vielleicht die Hälfte wegwerfen, weil das Brot von der Sauce schon durchweicht war, weil du doch wieder zu lange mit der E-Mail statt mit deinem Essen beschäftigt warst? Hat es dir überhaupt gut getan, oder machen sich schon wieder diese seltsamen, nervenden, aber noch unterschwelligen Verdauungsbeschwerden bemerkbar?
Leider ist bewusstes Essen in der modernen Gesellschaft selten und schwieriger geworden. Viele essen nur nebenher, sind eher mit Fernsehen, Smartphone, PC und allem möglichen anderen beschäftigt, als mit dem, was vor ihnen auf dem Teller liegt.
Verstehe mich nicht falsch, ich nehme mich hier nicht aus, wir sind alle nur Menschen. Dennoch möchte ich hiermit eine Lanze für mehr Bewusstsein und Wertschätzung für Lebensmittel brechen und dir ein paar überzeugende Argumente liefern, warum du dir wieder mal Zeit nehmen solltest, um selbst zu kochen.
Machen wir doch einmal kurz eine Zeitreise. Was hätte es denn früher bedeutet ein belegtes Brot herzustellen?
Für das Brot muss Weizen angebaut, geerntet und gemahlen werden. Aus dem Mehl wird ein Sauerteig angesetzt, wenn man noch keinen hat. Dieser wird dann mindestens eine, besser zwei Wochen lang gefüttert, bis daraus ein wirklich schmackhaftes und luftiges Brot entstehen kann. (Auch für guten, richtigen Sauerteig haben heute die wenigsten Leute noch Zeit, das gilt leider auch für viele Bäckereien…)
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Oder für eine Mayonaise müsste man Hühner halten, täglich die Eier einsammeln, und vor der Verwendung prüfen, dass keines davon befruchtet ist. Ausserdem bräuchte man Ölsaaten, die man auspressen kann, um dieses dann zusammen mit dem Ei in mühevoller Arbeit mit dem Schneebesen von Hand aufzuschlagen.
Für den Belag, sagen wir Schinken und Käse, müsste eigens ein Schwein geschlachtet, das Fleisch abgehangen, zerteilt, gepökelt und aufgeschnitten werden. Für den Käse brauchen wir wieder unsere Milchkuh und auch hier wieder vor allem – Zeit.
Ja, wahrscheinlich hätte auch früher nicht ein einzelner Mensch all dies auf sich genommen. Dennoch hätte er gewusst, welche Arbeit hinter jedem dieser Produkte steckt. Welche Wertschätzung hätte wohl jemand aus dieser Zeit einem solchen Essen entgegen gebracht? Und wohl wissend, was dahinter steckt, glaubst du wirklich jemand hätte einfach aus Langeweile und mal eben nebenbei gegessen?
Übertragen auf heute: mache dir doch einmal den Spass und entdecke deine Lieblingsspeisen von einer ganz neuen Seite. Nimm dir eine Zutat vor, die du so gut wie möglich von Anfang bis Ende selbst zubereitest.
Du wirst sehr wahrscheinlich kein Feld zur Verfügung haben, um deinen eigenen Weizen anzubauen. Aber starte doch einmal mit den ungemahlenen Körnern, setze deinen eigenen Sauerteig an und backe dir daraus ein Brot. Oder bei weniger Zeit, starte mit Hartweizengriess und Wasser und walze und fülle einmal selbst den Teig für deine Ravioli. Auch mit einer kleinen Anbaufläche, schon ein Balkon kann ausreichen, kannst du Kräuter und Gemüse ziehen. Diese Pflänzchen bedürfen Zeit und Aufmerksamkeit, Sonne und Wasser.
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Stelle dir dann auch bei diesem selbst gemachten Essen erneut die Fragen: wie hat es dir geschmeckt? War es zu viel, zu wenig oder genau richtig?
Beobachte dich auch, wie sich mit der Zeit deine Wahrnehmung verändert. Du wirst auch anderes bewusster essen und schmecken. Du wirst weniger essen, immer besser auf deinen Körper hören können, wahrnehmen, was du gerade brauchst – und wann du genug hast. Und möglicherweise wird dir dann geschmacklich der Schnellimbiss nicht mehr reichen, sodass du eher nichts als etwas schlechtes und ohne Zeit für bewussten Genuss essen wirst.