…oder wie Gendern die Gleichstellung erschwert
Ja, der Titel ist absichtlich provokativ gewĂ€hlt đ
Zuallererst: ich finde, dass jeder so reden und schreiben sollte, wie er will. Und wie an anderer Stelle auf dieser Webseite bereits beschrieben, verwende ich gerne das generische Maskulin, da es einfacher zu schreiben und schneller und angenehmer zu lesen ist. Zumindest ist meine Wahrnehmung, dass viele die einfachere Sprache angenehmer finden.
Was mich zur Frage brachte, warum das eigentlich so ist. Was stört (einige) an der Gendersprache? Mich inklusive. Es ist sehr spannend, sich hier selbst zu beobachten und ich musste feststellen, dass es mich manchmal stört und manchmal nicht, wenn Gendersprache verwendet wird.
Was nervt uns so an Gender-Sprache?
Ich bin fĂŒr mich auf folgende Antwort gekommen: immer dann, wenn in der Gendersprache die unterschwellige Message mitschwingt, dass ALLE so reden und schreiben mĂŒssen, nervt es mich. Dann will ich den Text nicht lesen, egal wie spannend das Thema ist.
Und es gibt andere Texte, in denen gender-neutrale oder gender-gerechete Sprache auf eine Art verwendet wird, in der mitschwingt, „ich habe mich aus freien StĂŒcken dafĂŒr entschieden so zu schreiben / zu sprechen“. Es wirkt weder kĂŒnstlich noch aufgesetzt, sondern normal – und vielfach schwingt dann auch nicht dieser Anspruch mit, dass man das auch als GegenĂŒber tun sollte.
Also lassen wir doch bitte alle so schreiben und sprechen wie sie wollen. DiversitĂ€t heisst schliesslich auch, dass jeder so sein kann wie er will. Warum sollte sich das nicht auch in unserer Sprache zeigen dĂŒrfen?
Wir können andere Menschen ohenhin nicht Ă€ndern. Das gilt fĂŒr alle Lebensbereiche. Wir können nur mit gutem Vorbild vorangehen. Wenn es sich durchsetzen soll, muss das auf natĂŒrlichem Weg geschehen. Jeder Versuch es der Gesellschaft als Ganzes aufzuzwingen, und genau das geschieht gerade, wird nach hinten losgehen. Es spaltet die Gesellschaft, wie so viele andere Themen zur Zeit auch. Es impliziert, dass es ein ârichtigâ und ein âfalschâ gibt, und dass jeder, der NICHT gendergerecht schreibt oder spricht âfalschâ ist.
Ich plĂ€diere fĂŒr Eigenverantwortung…
Bei der Sprache und bei der Interpretation. Ich will keinem meine Meinung aufdrĂŒcken und ich will nicht, dass mir etwas aufgedrĂŒckt wird. Spannenderweise habe ich dann nĂ€mlich umso weniger Lust darauf. Beinahe egal worum es geht. Und ich habe nichts dagegen, wenn jemand so reden und schreiben will – so lange das aus freien StĂŒcken geschieht. Ich fĂŒhle mich jedenfalls ebenso angesprochen, wenn das generische Maskulin verwendet wird. Ich fĂŒhle das so, weil ich das so fĂŒr mich entschieden habe, dass das fĂŒr mich genauso gilt. Ich habe fĂŒr mich, als junge halb-asiatische Frau, entschieden, dass alles was die „bösen, alten, weissen MĂ€nner“ fĂŒr sich beanspruchen, genauso fĂŒr mich gilt und dass ich das niemandem beweisen muss.
Ich behaupte, jeder Mensch, der dieses generische Maskulin heute verwendet, schliesst damit nicht absichtlich die Frauen aus. Gender-Sprache und meist mitschwingende Botschaft unterstellt aber indirekt diesen Menschen, die das nicht verwenden, sehr vehement, dass sie Frauen (und andere) per se ausschliessen wollen. Und das ist heute lÀngst nicht mehr der Fall. Es herrscht hier nirgends eine böse Absicht, daher ist es unrecht, eine solche zu unterstellen.
Ja, es gibt Frauen (und andere) die sich nicht davon angesprochen fĂŒhlen. Nebst der Eigentverantwortung, die diese Menschen bitte selbst wahrnehmen, denn das kann ihnen einfach niemand abnehmen, was könnte man stattdessen tun? Wie könnten wir also das generische Maskulin so besetzen, dass sich alle davon angesprochen fĂŒhlen?
VerÀndere die Bedeutung statt die Worte selbst
Mein Vorschlag ist folgender: Wenn sich heute unter einem bestimmten Begriff alle einen Mann (oder bei weiblich „besetzten“ Begriffen eine Frau) vorstellen, dann können wir einfach Frauen (bzw. MĂ€nner) hĂ€ufiger so bezeichnen. Und zwar explizit nicht mit dem angepassten, gegenderten Begriff.
Zum Beispiel, indem wir Bilder von weiblichen Experten sehen und diese gleichzeitig als Experte bezeichnet werden, indem wir Bilder von weiblichen Ărzten sehen und diese als Ărzte bezeichnet werden und indem wir mĂ€nnliche Hebammen sehen und diese als Hebamme bezeichnet werden. Nur dann wird sich das Bild, das sich in unseren Köpfen automatisch bildet, aufweichen, wenn wir das entsprechende Wort hören, und nicht mehr standardmĂ€ssig einen Mann oder eine Frau als Bild produzieren. Aus dieser Sicht könnte Gendersprache sogar kontraproduktiv sein, denn wir provozieren damit noch viel deutlicher die Unterschiede, auch und vor allem im Bild in unserem Kopf.
Ursache des Gender-Paygap?
Spannend finde ich auch folgenden Umstand: wird eine Branche von Frauen dominiert, die zuvor von MĂ€nnern dominiert wurde, sinken der Lohn und das Ansehen. Ich bin ĂŒberzeugt, dass in diesen Branchen das Gendern besonders vorangetrieben wird. Gendersprache kann also nicht die Lösung sein. Vielmehr bestĂ€tigt sich dadurch fĂŒr mich, dass auch hier wieder das Bild in unserem Kopf ein anderes ist. Wenn sich das Bild eines Berufs verĂ€ndert, verĂ€ndert sich dadurch alles: WertschĂ€tzung, Ansehen und damit natĂŒrlicherweise auch der Lohn.
Vielleicht gibt es diese Studie ja bereits, und falls nicht, sollte sie unbedingt durchgefĂŒhrt werden: wie schĂ€tzen Menschen den Lohn und das Ansehen von einem Arzt ein? Welches Bild entsteht im Kopf beim Wort „Arzt“? Und welches Bild beim Wort „Ărztin“? Wie hoch sind das Ansehen und der Lohn einer Ărztin? Womöglich sollte zwischen der Frage nach dem Arzt und der Ărztin einige Zeit vergehen und eine ablenkende Ăbung stattfinden, sodass die Antworten auf die nachgestellte Frage nicht durch die vorhergehende gefĂ€rbt wird. Dies könnte und sollte dann fĂŒr verschiedenste Berufe durchgefĂŒhrt werden. Ich bin mir sicher, dass wir daraus sehr viele Erkenntnisse ĂŒber den (Un-)Sinn von Gender-Sprache feststellen werden.
NatĂŒrliche Sprach-Evolution
Zudem tendiert Sprache mit der Zeit ohnehin immer mehr zu Vereinfachungen, und nicht zu Verkomplizierungen. Beispiel Englisch: hier gibt es keine mĂ€nnlichen oder weiblichen Endungen. Im Japanischen genauso. Und in vielen anderen Sprachen ist das bestimmt ebenso wenig der Fall. Das spricht also eher dafĂŒr, das kĂŒrzere, generische Maskulin zu verwenden, und diesem gezielt eine neue, „neutralere“ Bedeutung zu geben. Wenn man das denn unbedingt tun muss oder will, denn wie gesagt: ich finde, dass ist jedermanns eigene Entscheidung, ob er sich davon angesprochen fĂŒhlen will oder nicht…
Mein Fazit ist jedenfalls, dass wir die Unterschiede nicht verstĂ€rken und hervorheben sollten, indem wir extra Begriffe einfĂŒhren, fĂŒr die Frauen die „das auch machen wollen, was die MĂ€nner machen“.
Zuletzt: Zum allgemeinen Thema der „Gleichmacherei“, die wir derzeit ĂŒberall erleben, möchte ich unbedingt noch darauf hinweisen, was schon Vera Birkenbihl* zu diesem Thema beigetragen hatte. MĂ€nner und Frauen sind nicht gleich. Sie sind biologisch nicht gleich und werden es nie sein. Was auch bedeutet, dass wir (teilweise) unterschiedliche FĂ€higkeiten und Interessen haben. Diese Unterschiede werden wir nicht ausradieren können. Und das sollten wir auch nicht versuchen! MĂ€nner werden (zumindest zu unseren Lebzeiten, jeweils im Durchschnitt) immer mehr Muskeln haben als Frauen. MĂ€nner können keine Kinder gebĂ€ren. Frauen können an einer Olympiade nicht mit den MĂ€nnern mithalten. Mann gegen Frau im Boxring bleibt ein unfairer Kampf. Die wenigsten Frauen wollen auf einer Baustelle arbeiten. So wie nur sehr wenige MĂ€nner im Beauty-Salon arbeiten wollen…
* DVD-Empfehlungen zum Thema: